Ungeduld wird oft als harmlose Eigenschaft wahrgenommen. Man sagt über sich selbst: „Ich bin halt ungeduldig,“ und stellt es vielleicht sogar als Stärke dar – als Beweis für Schnelligkeit, Effizienz oder Zielstrebigkeit. Doch hinter dieser scheinbar neutralen Eigenschaft verbirgt sich oft eine weniger schmeichelhafte Wahrheit: Ungeduld ist häufig ein Ausdruck von Intoleranz gegenüber anderen Menschen und ihrem Verhalten.
Ungeduld ist Intoleranz im Alltag
Wer ungeduldig ist, empfindet andere Menschen als zu langsam, zu kompliziert oder zu umständlich. Es geht darum, dass sie anders denken, verstehen oder handeln als erwartet. Sie nehmen Herausforderungen in ihrem Tempo wahr, entwickeln eigene Lösungsansätze, die vielleicht ungewöhnlich erscheinen, oder verhalten sich auf eine Weise, die man selbst nicht nachvollziehen kann.
Doch anstatt diese Unterschiede als natürliche Vielfalt zu akzeptieren, bewertet Ungeduld sie negativ. Sie drückt implizit aus: „Dein Tempo ist nicht gut genug.“ Oder: „Deine Art, Dinge zu tun, ist nicht richtig.“ Letztlich fordert Ungeduld, dass andere sich an die eigenen Maßstäbe anpassen.
Neuronale Vielfalt – Warum Menschen unterschiedlich „schnell“ sind
Jeder Mensch hat eine individuelle Art, Informationen zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen. Manche denken schneller, andere langsamer. Manche erkennen Zusammenhänge sofort, während andere mehr Zeit benötigen, um zu reflektieren oder komplexe Sachverhalte zu durchdringen. Das liegt an der neuronalen Vielfalt, die uns als Menschen ausmacht – und das ist gut so.
Wenn Ungeduld ins Spiel kommt, wird diese Vielfalt jedoch nicht akzeptiert. Menschen, die schneller denken oder handeln, verlieren die Geduld mit jenen, die mehr Zeit benötigen. Dabei liegt die Stärke von Teams und Gemeinschaften gerade in dieser Unterschiedlichkeit – in der Fähigkeit, verschiedene Denk- und Handlungsweisen miteinander zu kombinieren.
Ungeduld: Ein Problem der Erwartungshaltung
Ungeduld hat weniger mit den anderen Menschen zu tun und mehr mit den eigenen Erwartungen. Wer ungeduldig ist, erwartet, dass sich andere den eigenen Vorstellungen anpassen – sei es im Tempo, in der Methodik oder im Verhalten. Wird diese Erwartung enttäuscht, entsteht Frustration. Doch statt die eigenen Erwartungen zu hinterfragen, wird das Verhalten der anderen verurteilt.
Die versteckte Intoleranz gegenüber sich selbst
Ungeduld kann sich auch gegen die eigene Person richten. Wer sich selbst gegenüber ungeduldig ist, akzeptiert oft die eigenen Grenzen nicht: „Ich sollte das schneller können.“ Oder: „Warum bin ich noch nicht da, wo ich sein will?“ Diese Intoleranz sich selbst gegenüber führt zu Stress, Selbstzweifeln und einer inneren Härte, die langfristig belastend sein kann.
Ein Plädoyer für Geduld und Akzeptanz
Ungeduld mag harmlos wirken, doch sie kann Beziehungen belasten und den eigenen inneren Frieden stören. Der Schlüssel liegt darin, Intoleranz hinter der Ungeduld zu erkennen und stattdessen bewusst Geduld und Akzeptanz zu üben – mit anderen und mit sich selbst.
• Akzeptieren Sie die neuronale Vielfalt der Menschen: Nicht jeder denkt, handelt oder fühlt so wie Sie – und das ist in Ordnung.
• Hinterfragen Sie Ihre Erwartungen: Sind sie realistisch und notwendig, oder projizieren Sie nur Ihre Maßstäbe auf andere?
• Geben Sie sich selbst Raum: Geduld mit anderen beginnt oft mit Geduld mit sich selbst.
Ungeduld ist keine Tugend. Geduld hingegen schon. Denn Geduld bedeutet, Vielfalt zuzulassen und die Unterschiedlichkeit von Menschen nicht als Problem, sondern als Stärke zu sehen.
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