Innovationskultur

Klassische Wirtschaft und kreative Köpfe – Innovationskultur in Hannover

Für das Magazin e|mil der Kreativwirtschaft Region Hannover diskutieren im Ratssaal des Neuen Rathauses
Stefan Schostok, Oberbürgermeister der Stadt Hannover
Karoline Eggert, PR-Expertin, Vorstandsmitglied kre|H|tiv Netzwerk
Tanja Föhr, Agentur für Innovationskulturen
Prof. Gunnar Spellmeyer, Hochschule Hannover, Vorstandsmitglied kre|H|tiv Netzwerk

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Gibt es in Hannover derzeit bereits sinnvolle und wirtschaftlich effektive Vernetzungen zwischen den Kreativen und der klassischen Wirtschaft? Und wie können wir sie verstärkt zusammenbringen?

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OB Stefan Schostok
„Wir müssen erst mal eine Einschätzung darüber treffen, wie stark unsere Kreativwirtschaft genau ist. Wir wissen, dass wir in Hannover eine sehr starke Presselandschaft und ein starkes Verlagswesen haben. Das macht volkswirtschaftlich ungefähr die Hälfte der Wertschöpfung in der Region aus. Es gibt eine außerordentlich etablierte Musikwirtschaft in Hannover. Dazu kommt als modernes Element der Bereich ,Software and Games‘. Aber wir haben auch ganz viele schlummernde Kräfte, deren Bedeutung vielen gar nicht klar ist. Durch den Wissenschaftsstandort haben wir ein ausgeprägtes Architektenwesen. Im Bereich der darstellenden und der bildenden Kunst ist Hannover weit vorne. Und wenn man diese Stärken definiert hat, kann man ganz anders auf die Branchen im industriellen oder im Dienstleistungsbereich zugehen und sagen: Wenn ihr versucht, hier innovativ tätig zu sein, nehmt die regionale Wertschöpfung deutlicher wahr. Aber dazu muss die Kreativwirtschaft sich eben auch deutlich positionieren. Sehr begrüßenswert ist, dass wir jetzt ein kre|H|tiv Netzwerk haben, das zeigt: Hier will eine Branche aus sich selbst heraus stärker auftreten.“

Prof. Gunnar Spellmeyer
„Wir suchen gezielt den Kontakt zu ,den anderen‘. Obwohl wir sowohl im kre|H|tiv Netzwerk als auch in der Hochschule der Auffassung sind, dass wir eigentlich alle kreativ sind, von daher gibt es gar nicht ,die anderen‘. Es gibt nur Menschen, denen wurde es mehr aberzogen als den Kreativen. In der Hochschule versuchen wir, es wieder anzuerziehen. Es gibt einige Formate in der Hochschule und im kre|H|tiv Netzwerk, wo wir auf diese ,anderen‘ Wirtschaftsbereiche zugehen und versuchen, das kreative Potenzial wieder zu lockern und zu einer Wertschöpfung zu treiben. Das sind Ideencamps, Open-Innovation-Maßnahmen oder Design-Thinking-Prozesse, die da initiiert werden und nachweisbar sehr erfolgreich waren und sind.“

Karoline Eggert
„Wir haben jetzt 251 Mitglieder in zwölf verschiedenen Bereichen. Jetzt müssen wir raus in die Wirtschaft und da noch weiter in die Vernetzung mit anderen Institutionen, mit den anderen Hochschulen, mit den Wirtschaftstreibenden. Wir haben hier so ein tolles Potenzial an Kreativen in Hannover, die nicht nur bundesweit, sondern zum Teil auch weltweit agieren, nur weiß das keiner. Dafür haben wir ja auch [e|mil], wo wir genau das vorstellen werden, was die Kreativwirtschaft von Hannover aus bundes- und weltweit leistet.“

Tanja Föhr
„Es gibt schon gute Beispiele: Auf dem Kreativwirtschafts-Forum von hannoverimpuls hatte ich ein Gespräch mit einem Unternehmer. Diese Firma macht auf ihrem Gelände ein Kreativlabor, weil sie festgestellt hat, dass sie schneller an kreative Ideen kommen muss. Sie hatten wichtige Trends verpasst, weil sie konventionell arbeiten. Das heißt, es gibt durchaus Unternehmen, die nach neuen Methoden suchen, um zusammenzuarbeiten. An dieser Stelle ist das kre|H|tiv Netzwerk gefragt, den Link zu den Firmen herzustellen und mit Design-Thinking, mit Produktdesignern oder mit IT-lern neue Produktanwendungen zu entwickeln, um so die Wirtschaft in Hannover zu stärken. Diese Branchen wurden ja als Innovationsmotor für die Wirtschaft gegründet – und das muss man deutlich machen: Was heißt hier ,Motor‘ und wie kriegen wir tatsächlich die Kreativen zusammen mit Unternehmen und können den Mehrwert darstellen, den diese Kooperation hat?“

Karoline Eggert
„Ein gelungenes Beispiel dafür ist das HannoLab. Hier lernen junge Kreative, für die Industrie komplett neue Lösungen und Ideen zu entwickeln.“

Prof. Gunnar Spellmeyer
„Wir haben im ersten HannoLab Ideen für die Gesundheitswirtschaft erarbeitet. Wir hatten junge Kreative, Designstudierende und eben Vertreter aus der Gesundheitswirtschaft dabei, und in 48 Stunden wurden Konzepte entwickelt, die im Endergebnis nicht nur prämiert wurden: Es sind Schutzrechtsanmeldungen entstanden, Diskussionen und Anregungen wurden in die Praxis übernommen. Und jetzt prüft man, ob einige Produkte davon markttauglich sind und in der Gesundheitswirtschaft erfolgreich platziert werden können. Dieses Modell werden wir jetzt weitertreiben. Zurzeit planen wir ein nächstes HannoLab zum Thema ,Arbeitswelt und das Büro von morgen‘. Hier gibt es in der regionalen Wirtschaft einige, die neue Ideen brauchen und die sich auch engagieren wollen.“

Tanja Föhr
„Wir haben auch Instrumente wie beispielsweise die Branchenforen von hannoverimpuls, wo Unternehmen aus der Lasertechnologie, aus dem Automotive-Bereich oder aus der Gesundheitswirtschaft zusammenkommen. Da ist für mich die Frage, wie man es hinbekommt, dass die Kreativen ein fester Teil dieser Foren werden. Herr Schostok, Sie haben mal gesagt, Kreativität soll ein Teil der Wertschöpfungskette werden.“

OB Stefan Schostok
„Am besten identifiziert man die Wertschöpfung in den Unternehmen direkt. Ich bin auch der Ansicht, wie Herr Spellmeyer zu sagen: Lasst uns das nicht trennen. Es gibt in einem klassisch-industriellen Unternehmen immer auch kreative Kräfte. Das können die Kommunikationsdirektoren sein, das können im Bereich Produktentwicklung kreative Ingenieure sein. Man muss ins Gespräch kommen und sie auch ins Netzwerk einladen. Also nicht nur auf die großen Branchenforen warten, sondern eben auch die Feierabendgespräche anbieten und sagen: Wir würden uns freuen, Sie dabei zu haben. Wir sollten ein kreatives Dreieck aufbauen. Das heißt neben Kreativwirtschaft, Industrie und Dienstleistung zusätzlich die Stadtkultur, die sich entwickelt hat.Da sind viele in dem kreativen Bereich drin, die das noch nicht mal wissen, dass sie dazugehören. Im Bildungsbereich, im Bereich der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst. Ideengeber, die auch als Menschen von uns angesprochen werden müssen. Das Dreieck kann man sicher auch zum Viereck machen, wenn man sieht, was eine Landeshauptstadt an Projekten plant. Das muss ja nicht immer gleich die EXPO sein. Aber bei besonderen Ereignissen, wie dieses Jahr mit Feierlichkeiten zu 300 Jahren Personalunion, dann sollte die Kreativwirtschaft bewusst mit an den Tisch. Auch daraus kann sich eine kreative ökonomische Kraft neu entwickeln.“

Prof. Gunnar Spellmeyer
„In einer Leistungsgesellschaft sind wir eben so gepolt, dass alles, was wir tun, sofort verwertbar sein muss. Und das ist die Herausforderung: Zu vermitteln, dass es indirekt verwertbar ist. Auch Design hat eine Impulswirkung, das heißt, wenn es in die Wertschöpfungskette geht, wird es erst verwertbar über den Impuls, den es setzt. Ich kann viele Beispiele aufzählen, wo etwa aus Luftballons Nussknacker entstanden sind. Als man den Luftballon angefasst hat, wusste man auch nicht, dass man damit mal 300.000 Euro in zwei Jahren verdienen wird. Was wir brauchen, sind institutionalisierte Räume, wo klassische Wirtschaft und Kreative zusammenkommen. Momentan sind wir so ein Wanderzirkus, wir tingeln überall hin und bringen auf Veranstaltungen die Kreativen mit der Wirtschaft zusammen. Ich glaube, das muss noch viel selbstverständlicher gelebt werden.“

Tanja Föhr
„Ich finde es sinnvoll, wenn man Betriebe auszeichnet. Wir haben das mit der Familienfreundlichkeit gehabt, mit der Nachhaltigkeit. Wenn wir eine Innovationskultur in den Unternehmen haben wollen, dann muss man solche Unternehmen nach vorne stellen, die den richtigen Mix zustande bringen, damit Ideen entstehen können.“

OB Stefan Schostok
„Ich glaube, dass es wichtig ist, auch eine Phase der Besinnung zu haben, der nüchternen Bestandsaufnahme. Die letzte Studie zur Situation der Kreativwirtschaft in der Region Hannover ist von 2009. Gefühlt hat sich doch so viel verändert, dass es nötig ist, eine neue Studie in Auftrag zu geben, die sowohl die Wertschöpfung als auch die jeweiligen Qualitäten sehr präzise beschreibt. Was die Stadt anbieten kann, ist, dass wir gemeinsam mit der Kreativwirtschaft überlegen, welchen Stellenwert sollen Kunst, Kultur, Kreativität einnehmen und in welchen Formen soll sie sich entwickeln. Gerade jetzt, wo wir am Fuße einer Stadtentwicklungsdiskussion – Hannover 2030 – sind. So kann man gemeinsam ein Zukunftsbild zeichnen und herausarbeiten, wodurch sich Hannover von anderen Standorten unterscheidet. Man muss auch mal ein paar verrückte Ideen entwickeln, indem man sagt, etwas, was im Moment relativ schwach aussieht, könnte aber ein Trend werden. Der Gedanke ist gut, die Vernetzung schon in der Diskussion zu erproben, bevor sie vielleicht Wirtschaftsmodell wird für die Zukunft. 2015 ist dafür ein geeignetes Jahr.“

Prof. Gunnar Spellmeyer
„Die Hochschule muss daran arbeiten, dass sie fließende Grenzen schafft, zum Studieneintritt und auch zum Studienaustritt. Das heißt, wir müssen die Studierenden in die Selbstständigkeit begleiten und wir müssen dafür Sorge tragen, dass es mehr qualifizierte Bewerber gerade für die kreativen Berufe gibt.“

Karoline Eggert
„Abschließend kann ich für uns vom kre|H|tiv Netzwerk sagen, dass wir weiter diesen Weg beschreiten und die Kontakte zur Wirtschaft vertiefen werden. Ich freue mich, dass wir auch in 2015 bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Zukunft Hannovers mitwirken können, sollen, dürfen. Und ich denke, dass es aus den Reihen des kre|H|tiv Netzwerks jede Menge kreativen Input geben wird für eine Zukunft in 2030.“

 

Interview & Text: Daniela Barrera · Journalistin · www.danielabarrera.de
Foto: Jan Blachura · Fotografie · www.blachura.de

 

Www.emil-Hannover.de

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