Hannover (dpa) – Schreibst du noch oder malst du schon? Immer mehr Unternehmen, aber auch Hochschulen halten die Ergebnisse ihrer Tagungen und Workshops als Mini-Comic fest. Die Figuren raufen sich dann schon mal die Haare.
Schwungvoll führt sie den Stift über das Blatt Papier. Ruckzuck sind erste Figuren zu erkennen, Wolken, Überschriften. Was hier entsteht, ist kein gewöhnliches Bild, es ist ein visuelles Protokoll. Mit vielen fein skizzierten Szenen erstellt Anja Weiss eine Art Comic. «Was ich mache, nennt sich Graphic Recording», erklärt sie.
Schon seit vielen Jahren wird diese Technik der Protokollierung und Inhaltssicherung in den USA eingesetzt. Jetzt schwappt die Welle auch nach Deutschland über. Viele Unternehmen wollen durch Graphic Recording Abwechslung in den Konferenzalltag bringen, etwa die Nordzucker AG in Braunschweig, Europas zweitgrößter Zuckerhersteller. «Durch Graphic Recording lassen sich Stimmungen und Emotionen einfangen, die trockene Protokolle nicht wiedergeben», sagt Unternehmenssprecherin Tanja Schneider-Diehl. «Eine Konferenz ist schnell vorbei, aber mit dem Bild bleibt ein Dokument für die Ewigkeit, das sich auch in den Köpfen der Teilnehmer festsetzt.»
Anja Weiss arbeitet mit Bildsprache und Farben, viele charakteristische Strichmännchen finden sich auf ihrem Papier wieder. «War der Redner eher lustig oder grummelig? Das lässt sich leicht an den Mundwinkeln der Strichmännchen erkennen», erklärt sie.
In einer dieser Szenen rauft sich eine Figur die spärlichen Haare. Anja Weiss zeichnet einen chaotischen Schreibtisch mit Bergen von umherfliegendem Papier. Die Verzweiflung ist dem Skizzen-Mann sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. «Ein Blick genügt und jeder weiß, was los ist», sagt die Hannoveranerin. Die Grafik-Designerin hält so Inhalte von Vorträgen, Konferenzen und Seminaren fest.
Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick wie ein Wimmelbild aus. «Komplexe Inhalte sind beim Anschauen dann aber leicht zu erfassen», erklärt sie. Einige Dinge fielen einem sofort ins Auge, andere erst bei genauerem Hinsehen. Das Wichtigste wird groß gezeichnet, die Details klein drum herum.
Auch Unis sind interessiert an «Graphic Recording». An der Leibniz-Universität-Hannover wolle man in den nächsten Monaten mit dem Einsatz der modernen Protokollmethode beginnen, sagt eine Sprecherin.
Tanja Föhr kann noch ein bisschen mehr: Sie kann reden und gleichzeitig zeichnen. Als Moderatorin nutzt sie zunehmend die Möglichkeit, ihre Inhalte durch Skizzen zu vermitteln. «Ich bekomme durchweg positive Rückmeldungen», sagt Föhr, die auch schon für das Wirtschaftsministerium in Niedersachsen den Stift geschwungen hat. Sie rechnet damit, dass in Zukunft bei fast allen größeren Konferenzen, Vorträgen und Tagungen visuelle Protokolle erstellt werden. «Der Mensch denkt in Bildern, und es wird einfacher etwas zu behalten, wenn wir schon diese Bilder liefern.»
Wer als Moderator heutzutage parallel zu seinem Vortrag Bilder zur Erklärung erstellt, der macht das gerne auch digital auf dem iPad – eine Art Tafelbild 2.0. «Skizzen reduzieren die Dinge auf das Wesentliche», sagt Tanja Föhr. «Außerdem: Bilder versteht jeder. Die Sprache der Zeichen ist universal und die älteste Sprache der Welt. Das zeigen uns schon die Höhlenmalereien der Steinzeitmenschen.»
Prof. Reinhold Leinfelder, Direktor Haus der Zukunft Berlin, vor seinem visualisierten Vortrag von Tanja Föhr.
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